
Die Inhaltstoffe eines Bodens sind Mineralien, Humus, Lebewesen, Luft und Wasser. Aber es ist wie beim Kuchenbacken: Man kann alle Zutaten in der richtigen Menge mischen, aber es entsteht noch keine essbare Leckerei. Erst, wenn man alles für eine Zeitlang im Ofen erhitzt, entwickelt sich die geliebte Süßspeise. Die genauen chemischen Abläufe dabei sind ziemlich gut bekannt. Beim Boden ist das etwas schwieriger, denn im Universum unter unseren Füßen sind Myriaden von Lebewesen beteiligt.
Der Anfang stand der nackte Fels, als am Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren der Schnee schmolz. Wasser und Frost sprengten das Gestein in immer feinere Fragmente, die vom Winde verweht wurden und sich an anderer Stelle sammelten. Heute nennen wir die Böden, die daraus entstanden Lößböden.
Die Felsen wurden von Pionieren besiedelt: Flechten und Moosen, die ihrerseits Säuren ausscheiden, welche die Verwitterung des Gesteins beschleunigen. Unter den Moospolstern sammelten sich erste Humusstoffe, die das Wachstum von höheren Pflanzen ermöglichten. Schließlich eroberten erste, buschförmig wachsende Birken und Weidenarten die immer noch kalte Welt. Ihre Wurzeln und fallenden Blätter wurden Grundlage für die Entwicklung des Bodenlebens und diese sorgten für dickere humusdurchsetzte Erdschichten. Ganz langsam wurden die Böden fruchtbarer. Aber nicht überall gleichmäßig.

Je nach Ausgangsgestein, Hangneigung und -ausrichtung, Feuchtigkeit, Klima etc. fanden sich unterschiedliche Pflanzengesellschaften ein und die Tierwelten im Boden unterschieden sich ebenfalls. Manche von ihnen kommen bis heute nur an einem Standort vor. Zum Beispiel Regenwürmer. Wussten Sie, dass es allein in Deutschland 40 verschiedene Arten Regenwürmer gibt? Der extremste unter ihnen ist der Badische Riesenregenwurm (Lumbricus badensis). Er ist extrem groß, wird ausgestreckt 60 cm lang, wiegt bis zu 40 g und lebt in einem extremen Lebensraum, nämlich auf den Höhen des Südschwarzwaldes in einem relativ kleinen Gebiet auf 300 – 1400 Metern über dem Meeresspiegel. Da die Wohnröhren bis 2,5 Meter unter die Erdoberfläche reichen, kann der Wurm dem Frost ausweichen. Die endemische Art frisst Fichtennadeln, was kein anderer Regenwurm kann. Allerdings schleimt dieser die Nadeln erst ein und lässt sie von Mikroorganismen vorverdauen. Dann frisst er sie und die herausgelösten Nährstoffe.

Regenwürmer sind beliebte und relativ bekannte Bodenorganismen, aber sie sind nie allein. Auch ihr Kot findet seine Abnehmer, da er noch an die 90% verwertbare Stoffe enthält. Und so
hängt am Ende alles mit allem zusammen und Böden sind mehr als die Summe ihrer Teile. Bodenbildung ist ein extrem langsamer Prozess, der im Labor nicht nachgemacht werden kann.
Das Ergebnis ist jedes Mal ein eigenes Gesamtkunstwerk.
Boden steht nicht unbegrenzt zur Verfügung und ist vielfach bedroht. In der Zerstörung von Böden haben wir es zur Meisterschaft gebracht.
„Jeder Eingriff in den Boden verändert die Struktur und Funktion der natürlichen Boden-Pflanzen-Systeme. Am radikalsten wirkt die vollständige Bodenzerstörung bei Flächenversiegelung durch
Straßen- oder Gebäudebau. Die Technisierung in der Forst- und Landwirtschaft mit immer schwereren Maschinen, synthetischen Düngern, Pestiziden und die Fixierung auf Ertragssteigerungen werden
seit den 1950er Jahren ausgehend von den USA und Europa in vielen Regionen der Welt politisch gefördert. Es folgen der Verlust von Bodenstruktur und Humusabbau sowie der Schwund der
Biodiversität.“ (Bodenatlas; 2024; S. 10)