Wasser (21) - Stadtplanung im (Klima-)wandel

Quelle: https://umweltindikatoren.nrw.de/klima-energie-effizienz/warming-stripes
Quelle: https://umweltindikatoren.nrw.de/klima-energie-effizienz/warming-stripes

Der Klimawandel ist längst da. Die Folge sind einerseits mehr Regen im Winter und andererseits längere Hitzeperioden im Sommer, gefolgt von Starkregenereignissen, die an jedem Ort möglich sind. Extreme Wetterlagen belasten nicht nur die Natur, denn niedrige Wasserstände in Bächen, Flüssen und Seen beeinträchtigen die Wasserqualität und gefährden die Vielfalt, sowie die Grundwasserneubildung.  Auch Menschen, vor allem in den Städten, sind von Hitze bedroht. Kinder, Schwangere, alte Menschen, sog. vulnerable Gruppen, brauchen besonderen Schutz, wenn sich die Straßen und Plätze an Sommertagen aufheizen und für tropische Nächte sorgen.

Die andere Seite sind Starkregen und Hochwasser. Wärmere Luft nimmt über den Ozeanen mehr Wasserdampf auf, der dann später über Land wieder abregnet – oft als Starkregen. Wenn große Mengen an Niederschlag in kurzer Zeit fallen, treten vor allem in Städten erhebliche Probleme beim Abfluss des Wassers auf. Schnell stehen ganze Straßenzüge unter Wasser. Es ist davon auszugehen, dass die Klimakrise solche Ereignisse zukünftig wahrscheinlicher macht. Prognostiziert werden für Nordrhein-Westfalen in ihrer Intensität und Häufigkeit zunehmende Starkniederschläge, die in jeder Kommune auftreten können.

Dachbegrünung: im Juni/Juli blüht der Weiße Mauerpfeffer, bei Bienen sehr beliebt! (Wurm; 2024)
Dachbegrünung: im Juni/Juli blüht der Weiße Mauerpfeffer, bei Bienen sehr beliebt! (Wurm; 2024)

Wichtige Bestandteile unserer Infrastruktur liegen in kommunaler Hand, daher werden viele Maßnahmen auf kommunaler Ebene umgesetzt. Mit einer wassersensitiven Planung lassen sich Klimaanpassungsmaßnahmen wirkungsvoll umsetzen, die die negativen Folgen von Starkregen und Hitzeperioden verringern. Also: wie wäre es, wenn man beides zusammendenkt?
Bisher ging es meist nur darum, Regenwasser möglichst schnell abzuleiten. Jetzt ändern sich die Prioritäten: Wasser muss zurückgehalten werden! Ziel ist es, einen kommunalen Wasserkreislauf zu entwickeln, der den natürlichen nachahmt. Das bietet wertvolle Vorteile.
1.    Die Klärwerke werden bei Starkregen nicht überlastet. Die Vernetzung von Grünzügen und Wasserachsen, temperaturregulierende Wasserflächen, dezentrale Puffer- und Speicherräume zum Rückhalt von Starkregen, die Gestaltung von urbaner Landschaft mit der Bewirtschaftung von Regenwasser sind bedeutende Elemente einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung. Um größere Schäden abzuwenden, können Kommunen Flächen ausweisen, die große Wassermassen aufnehmen und verzögert ableiten (Retentionsflächen). Dazu könnten Grünanlagen, Straßen, Mulden, Plätze und Parkplätze kurzfristig geflutet werden.
2.    Regenwasserspeicher, Zisternen und Rigolen liefern in Trockenzeiten das Wasser für das Stadtgrün, unverzichtbar für die Kühlung von Straßen und Plätzen. Die Nutzung von Verdunstungskühlung wird bisher von der Politik oft nur als positiver Nebeneffekt wahrgenommen und nicht als „harter“ Belang. In den einschlägigen Regelwerken wird die Verdunstung bisher ausschließlich als „Verlust“ berechnet. Aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Dachbegrünung die Innenräume um 10% herunterkühlt. Unser Haus hat nur eine dünne Pflanzendecke, aber sie hält das Dachgeschoss auch im Hochsommer bewohnbar, ohne den Einsatz von Energie für eine Klimaanlage. Noch effektiver ist die Beschattung durch einen Baum oder eine Fassadenbegrünung, weil sie alle Stockwerke betrifft. Die Energieeinsparung liegt bei etwa 50%. Die Kühlleistung lässt sich durch Bewässerung steigern. (Vergl. Kapitel: Der Wasserhaushalt von Bäumen) Was für einzelne Häuser gilt, gilt auch für ganze Quartiere und Straßenzüge. Eine begrünte Stadtlandschaft, die auf Verdunstungskühlung setzt, kann die Anzahl der Tropennächte um ca. 17% verringern. (Quelle (2))
3.    Dürren haben schon vielerorts zum Absinken des Grundwasserspiegels geführt. Je länger das Regenwasser auf der Fläche verweilt, desto höher ist die Versickerungsrate. Eine „Schwammstadt“, wie ich sie oben skizziert habe, reichert als „Nebeneffekt“ auch das Grundwasser an, aber nur, wenn es möglichst viele entsiegelte Flächen gibt. (Vergl. Kapitel: Grundwasser schützen: 10 Tipps für jedermann)

Bodenversiegelung und ihre Folgen
Durch die Bebauung und Besiedlung wird in Deutschland täglich eine Fläche in der Größe mehrere Fußballfelder wasserundurchlässig versiegelt. Das hat sowohl auf den Wasserhaushalt als auch auf den gesamten Naturhaushalt zahlreiche negative Folgen:
o    Das Regenwasser versickert nicht mehr in den Untergrund, sondern wird auf der Bodenoberfläche gesammelt und in die Kanalisation geleitet. Dort fallen nach heftigen Regenfällen große Wassermengen an, die die Kanalisation und die Kläranlagen überfordern.
o    Diese Wassermengen können nicht mehr in ausreichendem Maße gereinigt werden und fließen somit – mehr oder weniger verschmutzt – den Fließgewässern zu.
o    Durch Bodenversiegelung fällt nicht nur mehr Wasser an, sondern es fließt auch schneller den Gewässern zu. Dadurch kommt es häufiger zu Hochwasserereignissen.
o    Die Wassermenge, die infolge der Bebauung sehr schnell abgeleitet wird, fehlt im Wasserhaushalt dieses Gebiets.
o    Die Verdunstungsrate wird vermindert. Hierdurch erhöht sich die durchschnittliche Temperatur; dies macht sich besonders in den Innenstädten bemerkbar.
o    Die Neubildung von Grundwasser durch versickerndes Regenwasser wird durch die Bodenversiegelung vollkommen unterbunden. Wird das Trinkwasser aus Grundwasser gewonnen, ist in regenarmen Jahren häufig die Entnahmemenge größer als die Erneuerungsrate des Grundwassers.
Abgesehen von den Folgen für den Wasserhaushalt ergeben sich aus der Bodenversiegelung auch Konsequenzen in ökologischer Hinsicht.
o    Der Luftaustauschen und die Luftfeuchtigkeit werden reduziert. Zusammen mit einer erhöhten Luftverschmutzung wird die Bildung von „Dunstglocken“ begünstigt.
o    Der Lebensraum für einheimische Pflanzen und Tieren wird stark beeinträchtigt und mit ihm das ganze Ökosystem „Boden“ mit seinen biologischen Aktivitäten. Versiegelter Boden ist „toter Boden“.
o    Durch Versiegelung werden zusammenhängende Lebensräume für Flora und Fauna voneinander isoliert; dies wirkt sich besonders auf Kleinstlebewesen negativ aus (“Inselbildung“)
Die aufgezählten Folgen stellen ausreichende Gründe dar, die Versiegelung so weit wie möglich zu reduzieren und Maßnahmen zu treffen, mit denen der Wasserhaushalt besiedelter Gebiete wieder in einen Zustand gebracht wird, der dem natürlichen Gleichgewicht näherkommt.

Ausblick: Die Formulierung von Planungszielen, wie zum Beispiel Vorgaben zum Erhalt des natürlichen Wasserhaushalts und Leitpläne der Regenwasserbewirtschaftung und Hitzevorsorge, ist ein weites Aufgabenfeld. Wichtig ist dabei, das Ziel der „Verdunstungsstadt“ mit anderen Zielen der Stadtentwicklung, wie der wassersensiblen, klimaangepassten oder grünen, biodiversen Stadt, zu bündeln und Synergien zu nutzen.

Quelle (2): UBA Texte Untersuchung der Potentiale für die Nutzung von Regenwasser zur Verdunstungskühlung in Städten; Sieker, Büter, Becker u.a.; 2019