Wasser (18) - Feuchtwiesen im Sauerland

Feuchtwiesen sind im Sauerland weit verbreitet aber kaum einer kennt ihre Bedeutung. Wir wollen das Thema einmal genauer beleuchten.
Die ersten Spuren landwirtschaftlicher Nutzung im Süderbergland sind aus dem Neolithikum und der Bronzezeit bekannt (Speier 1994, 1999, 2001). Unsere Täler im Mittelgebirge sahen damals noch ganz anders aus als wir es uns heute vorstellen können. Durch lichte Auwälder mit manchem knorrigen Baum mäandrierten Bäche. Dort bauten Biber ihre Dämme. Zusammen mit eiszeitlichen Sedimenten, schuf dies die Grundlage für die heutigen Wiesentäler, denn Bäche und Flüsse, die nicht zügig abfließen können, hinterlassen Schlamm. Dies formte die geraden Talböden, etwa entlang von Lenne und Bigge. Diese Talböden waren und sind noch heute häufig nährstoffreich und die dort damals wachsenden Auwälder waren infolge der häufigen Überschwemmungen und der breit durch die Täler mäandrierenden Bäche mutmaßlich lückig mit dichter Krautschicht bewachsen (Abb. 1).

Für unsere Vorfahren waren sie wesentlich einfacher urbar zu machen als die dichter bewaldeten, steilen, steinigen und teils trockenen Hänge. So wurde vermutlich schon zu damaliger Zeit Vieh in die Auwälder getrieben, vor allem erste domestizierte Formen des wilden Auerochsens, die mit der Nässe gut zurechtkamen (Hartel & Plieninger 2014). Das Holz wurde als Brennholz oder zum Bau genutzt, junge Triebe und Blätter teils als Winterfutter – Nebennutzungen des Waldes, die noch bis Ende des 19. Jahrhunderts erhalten blieben (Burrichter & Pott 1983). Das lichtete die Wälder zusätzlich auf.
Die Beweise für eine Ausdehnung des Graslandes im Neolithikum und der folgenden Bronzezeit finden wir heute in Torfproben aus den Mooren des Sauerlandes. Darin haben sich bis heute Pollen erhalten, die auf eine Zunahme der Arten des Graslandes deuten lassen. Eine weitere Ausdehnung der Wiesen ist im Mittelalter zu erkennen, als eine Bevölkerungszunahme die Urbarmachung zusätzlichen Waldes notwendig machte und sich Mühlen und Siedlungen entlang der Täler ausbreiteten (Speier 1994).
Feuchtwiesen besaßen für die Bevölkerung lange eine besondere Bedeutung, fast jede Familie im Sauerland besaß bis ins 20. Jahrhundert hinein Vieh, das ernährt werden musste, entsprechend besaß jede Familie auch ein Stück Wiesengrund (Koch 2000). Feuchtwiesen hatten dabei mehrere Vorteile. Zum einen waren sie durch die Nässe im Frühjahr schneller schneefrei, wodurch der Grasaustrieb früher begann, außerdem war der Aufwuchs aufgrund des Nährstoffreichtums höher und das ganze Jahr über gleichmäßig. Auch konnte das Schmelzwasser der Bäche im Frühjahr über die Flächen geleitet werden, um die nährstoffreichen Sedimente auf die Flächen zu bringen. In manchen Tälern sind noch heute hangparallele Gräben als Zeugnis dieser Bewirtschaftungsweise der Wässerwiesen erhalten.
Die Industrialisierung bedingte schließlich eine Abwanderung der Bevölkerung in die Städte und eine Aufgabe der harten Landwirtschaft zugunsten anderer Berufe. Die verbleibenden landwirtschaftlichen Betriebe wuchsen und mussten mehr Fläche bestellen. Möglich machte dies auch die Entwicklung der Stickstoffdüngung und maschinellen Ernte. Es war erstmals möglich, genug Futter für den Winter einzulagern, sodass die Tiere im Winter nicht verhungerten. Diese Entwicklung machte auch die beschwerliche Feuchtwiesenwirtschaft entbehrlich.

Da Feuchtwiesen nicht mit Maschinen befahrbar sind (Abb. 2), wurden viele Flächen Mitte des 20. Jahrhunderts entwässert oder aufgeforstet. Für die Aufforstung mit Fichten wurden sogar Prämien bezahlt. Das war für manche ein verlockendes Angebot, denn für den Holzerlös aus dem Verkauf von 200-300 fm Fichtenholz konnte man damals ein Haus bauen – für andere war es wiederum ein absolutes Tabu die Jahrhunderte alte Familienweide aufzuforsten (Koch 2000). Manche Regionen des Sauerlandes erreichte der wirtschaftliche Aufschwung in der Landwirtschaft relativ spät, sodass bis in die 1960er Jahre etwa im Winterberger Raum noch recht ursprünglich gewirtschaftet wurde. Dort finden sich bis heute die besterhaltenen Feuchtwiesen im Sauerland – nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen des lokalen Vereins für Natur und Vogelschutz und der Biologischen Station Hochsauerlandkreis (www.vnv-hsk.de; www.biostation-hsk.de).