Wasser (17) - Der Wasserhaushalt der Pflanzen

Wenn Sie Ihre Topfpflanze nicht gießen, verdurstet sie. Wenn Sie zu viel gießen, verfaulen die Wurzeln. Wenn Sie einem Alpenveilchen genauso viel Wasser geben, wie dem Kaktus, wird einer von beiden nicht überleben. Das ist kein Geheimnis.

Was die Sache spannend macht, ist die Tatsache, dass Pflanzen ihren Wasserhaushalt und ihren Gashaushalt für Atmung und Photosynthese über die gleichen Blattorgane regeln, die Spaltöffnungen.
Deshalb müssen Pflanzen in jedem Augenblick zwischen Verdursten und Verhungern lavieren!
Aber fangen wir von vorne an. Das Blatt ist das wohl vielgestaltigste Organ, das man sich vorstellen kann. Es gibt alle denkbaren (und undenkbaren) Variation zwischen dem riesigen, ungeteilten Blatt einer Urwald- Banane und dem feingefiederten Blättchen unserer Kamille. Biologen betrachten die Blüte als gestauchte Sprossachse, d. h. vom Laubblatt über Hochblätter, die die Blütenstängel tragen, zu den Blütenblättern, Staubblättern und Keimblättern, die zu Stempel und Narbe zusammengewachsen sind: alles Abwandlungen ein und desselben Bauplans.

Da braucht es uns nicht zu verwundern, dass Sträucher und Bäume an ein und demselben Holz, diesen Grundbauplan verändern können, je nachdem wie sehr das Blatt der Sonne ausgesetzt ist, bzw. eher im Inneren der Baumkrone wächst und nur sporadisch Licht bekommt.

Sonnenblätter sind klein und fühlen sich härter an wegen ihres höheren Holzgehaltes. Die Zellwände der äußersten Blatthaut sind verdickt und die Oberfläche auf der Blattoberseite oft zusätzlich mit einer Wachsschicht oder sogar Haaren versehen, um die Verdunstung herabzusetzen. Schattenblätter sind dagegen relativ groß und weich. Sie enthalten prozentual zum Gesamtgewicht mehr Wasser. Sonnenblätter nutzen das Licht voll aus und sind hoch produktiv. Schattenblätter reagieren bereits auf eine niedrigere Lichtintensität und nutzen alles, was die Sonnenblätter durchlassen.

Im Querschnitt kann man weitere Unterschiede feststellen. Unter der obersten Blatthaut liegt das dicht gepackte Palisadengewebe, das besonders viele grüne Zellkörperchen für die Photosynthese enthält. Dies ist bei Sonnenblättern um mindestens eine Zelllage dicker als bei Schattenblättern. Darunter liegt ein lockeres Schwammgewebe mit vielen luftgefüllten Zwischenräumen. Den Abschluss bildet wieder eine Haut und diese Haut hat Öffnungen für den Gasaustausch mit der Außenluft. Sie werden meist durch zwei gegenüber liegende, sogenannte Schließzellen gebildet, die bei abnehmendem Wasserdruck innerhalb der Zellen, die Öffnung verschließen.

Und nun das Problem: Ohne Sonne können Blätter in ihren kleinen grünen Kraftwerken keinen Zucker herstellen. Dazu brauchen sie aber auch CO2 aus der Luft. Die Blattöffnungen (Stomata) müssen also den Gasaustausch zulassen, damit der Baum nicht verhungert.

Jetzt muss man wissen, dass die Wärme des Sonnenlichts auf grüne Blätter genauso wirkt, wie auf einen schwarzen Körper und jeder, der schon mal an einem warmen Tag ein schwarzes Kleidungsstück getragen hat, weiß, was das heißt. Einzige Abhilfe für den Baum ist die Kälte, die bei der Verdunstung auf der Blattunterseite durch die Stomata entsteht. Mittags braucht der Baum dann oft so viel Wasser, dass der Strom durch die Leitungsbahnen von der Wurzel bis ins Blatt abzureißen droht. Ein gerissener Wasserfaden kann nicht wiederhergestellt werden. Das Blatt würde vertrocknen. Also schließen sich die Stomata, der Gasaustausch wird unterbrochen und der Baum kann die Zuckerproduktion nicht aufrechterhalten.
Verständlich, dass Bäume leicht in Trockenstress geraten und dann auch die Energieproduktion zum Erliegen kommt. Das Problem ist besonders groß bei Straßenbäumen, da Abgase die Funktionstüchtigkeit der Schließzellen herabsetzen. Sie erstarren auf halber Strecke. Die Lösung heißt Bewässerung, aber nicht mit Trinkwasser, sondern mit Regenwasser, dass aufgefangen wird. (s. Beitrag: Klimawandel und kommunaler Wasserkreislauf)
In einer Umwelt, die nahe am Optimum liegt und im Bestand mit anderen Pflanzen, kommen Bäume aber meist gut zurecht. Bei längeren Trockenzeiten sind sie fähig sich anzupassen und legen vermehrt gut gegen Verdunstung geschützte Sonnenblätter an.