Wasser (13) - Was ist ein Bach, wenn man ihn läßt?

Mäander in einem Bach bei Erntebrück  Foto: Theresia Wurm
Mäander in einem Bach bei Erntebrück Foto: Theresia Wurm

In Mittelgebirgsbächen gehört die Strömung des Wassers zu den wesentlichen Ökofaktoren.
Betrachtet man einen natürlichen Bach, so fällt als Erstes die äußerlich sichtbare Vielfalt auf: Langsam und schnell fließendes Wasser wechseln ständig ab, Steine, Totholz und Inseln unterbrechen den Lauf des Wassers, der Bach verengt sich stellenweise, hat örtlich Vertiefungen (Kolke) und dann wieder ganz flache Bereiche. Zudem ist ein Bach über einen längeren Zeitraum betrachtet nie derselbe: der Wasserspiegel steigt und fällt, Substrat verlagert sich, der Bach ändert seinen Lauf.

Dynamik und Strukturvielfalt sind wesentliche Kennzeichen natürlicher, ökologisch intakter Fließgewässer. Nur dann kann sich eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt ansiedeln.
Der natürlichen Vielfalt verdanken wir Gesundheit, Nahrung, Rohstoffe, Sicherheit und lebenswichtige Leistungen der Ökosysteme, kurz: Biologische Vielfalt ist Leben !
In diesem abwechslungsreichen Lebensraum haben die Insekten die abenteuerlichsten Anpassungen entwickelt. Im Bergbach sind sie die artenreichste Tiergruppe mit ca. 800 Arten.

Das Vorkommen einer Tierart in einem Kleinlebensraum wird u.a. durch Körperbau und Ernährungsweise bestimmt. Hier sind es verschiedene Arten von Köcherfliegenlarven, die unterschiedliche Strömungsbereiche besiedeln.
Nur Spezialisten unter den Tieren, wie diese eigenartigen Eintagsfliegenlarven, können den Algenrasen auf den Oberseiten stark überströmter Steine abweiden, ohne weggespült zu werden. In den ruhigeren Bachzonen finden wir viele Bachflohkrebse und Köcherfliegenlarven, die sich dort von angeschwemmtem Pflanzenmaterial ernähren
In den oberen Bachregionen ist dabei die Erle von besonderer Bedeutung. Ihre Wurzeln werden auch unter Wasser mit Sauerstoff versorgt, sodass sie nicht verfaulen. Dadurch sichern sie den Böschungsfuß. Ihre Blätter sind der Beginn der Nahrungskette. Im Quellbach sind natürlicher Weise kaum Nährstoffe vorhanden. Die Erlenblätter ändern das. Sie werden von Zerkleinerern wie dem Bachflohkrebs gefressen. Diesen haben wieder Fische zum Fressen gern und das ist wieder gut für den Eisvogel.

Im Fließgewässer spricht man nicht von einem Stoffkreislauf, sondern von einer Stoffspirale, weil die Abbauprodukte von der Strömung verdriftet werden.
Von überaus großer Bedeutung für das Leben im Fließgewässer ist das Innere der Gewässersohle, die natürlicherweise aus Kies oder Sand besteht, vom Wasser umgelagert und ständig durchströmt wird. In den Zwischenräumen von Sand und Kies, dem Interstitial, herrschen aufgrund ausgeglichener Temperatur- und Strömungsverhältnisse und des vergleichsweise hohen Nährstoffangebots relativ konstante und damit sehr viel günstigere Lebensbedingungen als in der fließenden Welle, so dass es der am weitaus dichtesten besiedelte Bereich des Gewässers ist. Vertreter fast aller Tiergruppen der Fließgewässerfauna verbringen hier bis zu einer Tiefe von etwa 50 cm im Verborgenen zumindest einen Teil des Lebens, bevorzugt die empfindlichen Jugendstadien, wie viele Insektenlarven und kieslaichende Fischarten.
Auch das Interstitial ist von Gewässerbelastungen betroffen. Gefährlich wirkt sich besonders eine hohe Schwebstoffbelastung aus. Wird infolge organischer Belastungen und Bodenerosion die Gewässersohle großflächig verschlammt, verstopft das Lückensystem und geht damit als Lebensraum verloren. Ebenso wirkt sich die Versiegelung der Gewässersohle durch Beton oder Steine negativ aus.