Die Lenne - (k)ein Lebensraum für Fische?
Das wissen nur Wenige: bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein, galt die Lenne als besonders fischreich.
Fischer war ein einträglicher Beruf, Fisch ein wichtiges Nahrungsmittel, das sogar als Abgabe an den Erzbischof bis nach Köln geliefert wurde. Gefangen wurden viele große Barsche, Schleien,
Barben und natürlich Bachforellen. Auch Aal und Hecht lieferten prachtvolle Exemplare, wie man aus verschieden Überlieferungen weiß. Sogar Kleinfische, die in großen Mengen vorkamen, wurden
wirtschaftlich genutzt. So fing man Elritzen, auch „Maipiere“ genannt, in Reusen, kochte sie mit Essig, Pfeffer und Lorbeerblättern, machte sie in Flaschen und Krügen ein und verkaufte sie. Die
Groppe oder Koppe (Mühlkoppe, „Dickkopp“ auch „Kuhläpper“) war als Köder beliebt. Früher kannte sie jedes Kind.
In der Lenne und ihren Nebenbächen wurden viele Lachse gefangen. Sie galten als „Armeleuteessen“. Es wird gesagt, dass sich Dienstboten bei ihrer Herrschaft beschwert haben, weil
schon wieder Lachs auf dem Tisch stand. Noch 1850 berichtet Prof. Landois, dass in der Hundem (Altenhundem) 20 Pfund schwere Lachse mit der Angel gefangen wurden. Aber 1892 schreibt er in
„Westfalens Tierleben“: „Von der Lenne und Bigge her wird über die Abnahme der Fische trotz des neuen Fischerrechtes geklagt. Es ist traurig anzusehen, wenn man beispielsweise von Meggen an der
Lenne hinuntergeht bis unterhalb von Hohenlimburg, wie die gelben Kloaken ungehindert in den Fluss sich ergießen. Bei einer solchen Verpestung der Flüsse geht nicht allein der Fisch
zurück, sondern auf Dauer müssen Mensch und Vieh erliegen.“
Bergbau allein ist schon stark umweltbelastend. Daneben gab es aber auch noch Drahtziehereien und Galvanikbetriebe, die die verwendeten Säuren einfach so in die Lenne entsorgten. Kein Wunder,
dass der Fluss 100 Jahre lang zum toten Abwasserkanal wurde. Für „Mensch und Vieh“ mussten die Ortschaften Wasserleitungen bauen, die sauberes Wasser aus Bergquellen holten, denn das
Brunnenwasser wurde ebenfalls vergiftet. Dorfbrunnen erschlossen den größten Grundwasserleiter, den wir haben: die Ablagerungen unter und neben dem eigentlichen Flusslauf. Aue und Fluss stehen
darüber in ständigem Austausch.
Und nun eine gute Nachricht: Es gibt wieder Fische in der Lenne. Ab 1966 kommt u.a. das Rotauge zurück, ist aber noch ungenießbar. Im Oberlauf gibt es noch Äschen und 1996 werden Bachneunauge,
Bachforelle, Koppe, Stichling, Äsche, Barbe und Rotfeder nachgewiesen. Das Wasser ist wieder sauberer geworden. Heute kommen Schmerle und Elritze wieder häufig vor. In geringer Zahl findet man
noch Döbel, Hasel und Gründling. Aal, Nase, Flussbarsch und Kaulbarsch sind dagegen sehr selten. Es sind immer noch nicht alle Fischarten zurück. Was ist der Grund?
Hauptgrund sind die zahlreichen Staue, die für die Fische unüberwindbar sind. Sie wurden seit dem frühen Mittelalter zur Energieerzeugung für Mühlen und andere Gewerbebetriebe
errichtet. Zunächst waren sie noch so niedrig, dass die Fische sie überwinden konnten. Als die Wehre im Laufe der Zeit immer höher wurden, begannen sie den Fischereibetreib zu stören, was sogar
zu Revolten führte, bei denen Wehre zerstört wurden. Aber im 19. Jahrhundert verloren die Fischer den Kampf um ihre alten Rechte, da die Industrialisierung ungebremst forciert wurde. Mit dem Bau
der Eisenbahn, war es um die Fischerei geschehen.
Aus dem Fernsehen ist bekannt, dass der Lachs vom Meer in die Bergbäche seiner Kindheit zurückwandert, um dort zu laichen. In der Sieg ist es im Rahmen des Wanderfischprogramms NRW gelungen, ihn
wieder anzusiedeln, wenn auch noch nicht in einem selbst erhaltenden Bestand. Ein solches Projekt in der Lenne umzusetzen, wäre (noch) zum Scheitern verurteilt. Aber es lohnt sich, auch
einzelne Abschnitte des Flusses wieder durchgängig für Fische wie Bachforelle und Äsche zu machen. Sie wandern ebenfalls, zwar nicht bis ins Meer und zurück, aber doch beachtliche
Strecken innerhalb der Fließgewässer (Haupt- und Nebenläufe) zwischen z.B. Laichgründen und Ruheplätzen.
Für Salminiden wie die Äsche sind saubere Kiesbänke das Ziel, in deren Lückensystem der Laich abgelegt wird und die Brütlinge sicher heranwachsen können. Nur leider ist das Wasser noch so
belastet, dass sich feiner Schlamm bildet, der bei Niedrigwasser die Lücken verstopft. Nur wenn es ein starkes Frühjahrshochwasser gibt, gelangt genug Wasser über die Wehre und spült die
Kiesbänke frei. Deshalb kann sich die Äsche nicht jedes Jahr reproduzieren. Ein Übriges tut der Kormoran, der in strengen Wintern eisfreie Stellen in den Flüssen zur Jagd aufsucht. Dann sitzen
die Äschen vor den Wehren in der Falle. Aktuell steht die Äsche als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste und kommt in der Lenne nur punktuell vor.
In früheren Zeiten gab es Äschen (auch „Fahnenträger“ wg. der großen Rückenflosse) in großen Mengen. Sie wurden bis zu zwei Pfund schwer und fast nur mit der Luthe (eine Art Hebenetz) gefangen.
Der Fisch wurde namengebend für seinen Lebensraum, die Äschenregion. Die Äsche braucht schnellfließendes, kühles, sauberes und sauerstoffreiches Wasser mit Kiesgrund. Naturnahe Äschengewässer
sind gekennzeichnet durch Mäanderbildung und den steten Wechsel strömungsreicher und ruhiger fließenden Bereiche. Nur dieses kleinteilige Mosaik an Lebensräumen ist in der Lage genug Nahrung für
eine Vielzahl von Fischen zu liefern. Neben der Äsche sind Döbel und Nase typisch für die Region. Außerdem die Kleinfischarten Elritze, Schmerle und Schneider. Leider ist die Lenne zumeist
begradigt und ausgebaut, also alles andere als naturnah.
Wenn wir Flüsse und Bäche als Lebensraum erhalten oder wiederherstellen wollen, müssen wir eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Dazu später mehr. Fische wie Bachforelle und Äsche sind
Bioindikatoren, also Zeigerorganismen, die uns sagen, dass die Lenne im Kreis Olpe in keinem guten ökologischen Zustand ist.